Wer soll (nicht) ins Parlament dürfen?

Anlässlich der Parlamentsreform kommt es auch  zu einer  Teilrevision des Unvereinbarkeitsgesetzes. Bei dieser Gelegenheit kann entschieden werden, wer im Parlament mitwirken darf und wer nicht. Geltendes Recht besagt, dass Personen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis des kantonalen Rechts stehen, dem Grossen Rat nicht angehören dürfen. Ausgenommen sind die Lehrkräfte der Volksschule sowie die Aushilfen und Praktikanten. Doch ist es überhaupt richtig, ganze Teile der Bevölkerung vom Parlament auszuschliessen, wenn dieses doch Spiegelbild und Vertretung aller Bürgerinnen und Bürger sein soll?

Die Gewaltentrennung stellt das grundlegende Prinzip für die Organisation der staatlichen Behörden dar und bildet einen Grundpfeiler der demokratischen Staatsidee. Die Lehre von der Trennung der Staatsgewalten verlangt, dass die staatliche Macht auf mehrere Staatsorgane verteilt wird und diese grundsätzlich personell voneinander getrennt sind, damit Machtmissbrauch verhindert und dadurch die Freiheit des Individuums geschützt wird. Das Ziel der personellen Gewaltentrennung muss darin bestehen, die Unabhängigkeit der drei Staatsfunktionen Rechtsetzung, Verwaltung/Vollzug und Rechtsprechung zu gewährleisten und dem Parlament, der Regierung sowie den Gerichten zu ermöglichen, ihre Funktionen selbständig auszuüben.

§ 80 unserer Kantonsverfassung regelt die parlamentarische Oberaufsicht: Der Grosse Rat übt die Oberaufsicht über alle Behörden und Organe aus, die kantonale Aufgaben wahrnehmen. Dies setzt auf der einen Seite voraus, dass Mitarbeiter/innen der Verwaltung, welche die Regierungs- und Verwaltungstätigkeit an entscheidender Stelle mitprägen nicht gleichzeitig dem Parlament angehören können, sonst  würde ja eine Kontrolle durch die Kontrollierten erfolgen, was staatspolitisch unerwünscht ist.  Auf der andern Seite  ist es überhaupt nicht erforderlich, sämtliche Verwaltungsangehörige von der Mitgliedschaft im Parlament auszuschliessen. Der Grundsatz der Gewaltentrennung wird nicht verletzt, wenn beispielsweise Polizisten, Mittelschullehrkräfte oder Spitalangestellte im Parlament vertreten sind, aber der  Grosse Rat würde durch deren Einsitz vielfältiger. In acht Kantonen (Luzern, Schwyz, Nidwalden, Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, St. Gallen und Waadt) besteht für das Personal der Kantonsverwaltung keine Unvereinbarkeit mit einem Parlamentsmandat. Sechs Kantone (Zürich, Glarus, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Wallis und Zug) verfügen über eine differenzierte, für bestimmte Mitarbeiter/innen der kantonalen Verwaltung geltende Regelung der Unvereinbarkeit mit einem Parlamentsmandat . Weitaus die meisten Kantone regeln also die Unvereinbarkeit - wie übrigens auch der Bund -  liberal. Dies sollte auch der Aargau tun, denn gerade in der heutigen Zeit  ist es wichtig, dass möglichst alle aktiv am politischen Prozess teilnehmen können. Schliesslich soll das Volk frei entscheiden können, wen es als seine Vertretung im Grossen Rat will.

März 2004