Aargauer Budget 2004

Wege zum ausgeglichenen Budget

Bereits ein halbes Jahr Im Vorfeld der kommenden Budgetdebatte werden bürgerliche Politiker nicht müde, in allen Variationen das Klagelied des überschuldeten Aargaus anzustimmen, um anschliessend drastische Sparmassnahmen zu fordern. Dabei steht der Aargau bezüglich Ausgaben, Steuerbelastung und Verschuldung im interkantonalen Vergleich immer noch recht gut da. Doch Schuld am absehbaren Haushaltsdefizit in dreistelliger Millionenhöhe sind laut FDP Grossrat Urs Haeny (Meine Meinung vom 25.7.)  der Regierungsrat, der nicht regiert, die aufgeblähte Staatsverwaltung, die sich mit unnötigen Projekten (die zwar vom Grossen Rat abgesegnet oder gar in Auftrag gegeben wurden) selbst beschäftigt und die Lehrkräfte, welche sich erlauben, für anständige Arbeitsbedingungen, interkantonal konkurrenzfähige Löhne und faire Pensionskassenbedingungen zu kämpfen. Selbst das gesellschaftspolitische Engagement des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes, der eine breit abgestützte Initiative zur Einführung von Tagesstrukturen  an der Volksschule lanciert, wird als "akuter Realitätsverlust" angesichts defizitärer Kassen diffamiert. Wer solches äussert, verkennt entweder selbst die Realität in unserer Gesellschaft oder hat sich nicht sehr intensiv mit dem Thema befasst. Eine Studie der Stadt Zürich weist nämlich nach, dass mit jedem Franken, der in Tagesstrukturen investiert wird, Gelder in der Grössenordung von Fr. 1.60 in Form von höheren Steuereinnahmen zurückfliessen. Wird die Einsparung bei den sozialen Folgekosten mitgerechnet, ergeben sich pro investierten Franken Einsparungen von Fr.3.- bis Fr.4.-.  Nicht zuletzt diese Erkenntnis dürfte auch den Schweizerischen Arbeitgeberverband zur Überzeugung gebracht haben, dass Tagesstrukturen nicht nur gesellschaftlich dringend notwendig sondern auch volkswirtschaftlich sinnvoll sind. In seiner familienpolitischen Plattform schreibt der Arbeitgeberverband, das heutige Schulsystem werde den Kindern erwerbstätiger Eltern nicht gerecht. Der gesellschaftliche Wandel müsse auch veränderte Strukturen an den Schulen bewirken. Die Realisierung einheitlicher Blockzeiten sowie zusätzliche Betreuungsangebote wie Tagesschulen erschienen gesellschaftspolitisch notwendig und wirtschaftlich wünschbar.

Doch nun zurück zum Staatsdefizit, welches künftig ja in der Tat noch an Ausmaß zunimmt, nachdem eine bürgerliche Parlamentsmehrheit in Bern ein Steuerpaket beschlossen hat, von dem insbesondere wohlhabende Familien und Ehepaare sowie Hausbesitzer profitieren. Beispiel Familienbesteuerung: 2/3 der Steuerentlastung betrifft Haushalte mit einem steuerbaren Einkommen von über 100'000 Franken - das sind nur gerade 7 % der Steuerpflichtigen. Allein der Kanton Aargau und seine Gemeinden werden Mindereinnahmen von 124 Millionen pro Jahr zu verkraften haben. Wer also für einen ausgeglichenen Haushalt eintritt, der sollte vor allem einmal den Regierungsrat  unterstützen, der dem Parlament das Kantonsreferendum gegen das Steuerpaket beantragt. Dann kann nämlich das Volk entscheiden, ob es einen Haushalt ohne Leistungsabbau bei der Bildung, beim Angebot der Spitäler, im öffentlichen Verkehr und bei der Polizei will, oder ob  einigen bereits Vermögenden die Steuern reduziert werden sollen. Erhebliche Verbesserungen bei den kantonalen Steuereinnahmen liessen sich übrigens durch vermehrte Kontrollen bei den selbständig Erwerbenden und den Unternehmen erwirken. Schliesslich wäre es an der Zeit, für einen rechtsgleichen Vollzug des Steuergesetzes zu sorgen. Während die Gemeindesteuerämter ihre Personalbestände erheblich erweitert haben, weil die Steuererklärungen der einfachen Lohnbezüger (unselbständig Erwerbende mit Lohnausweis)  und Rentner jährlich einer eingehenden Prüfung unterzogen werden, können Firmen durchschnittlich nur alle 7,2 Jahre am Domizil geprüft werden, denn  die bürgerliche Mehrheit des Grossen Rates verweigerte dem Kantonalen Steueramt den ausgewiesenen Personalmehrbedarf. Von 14 300 Firmen werden nur rund 2000, d.h. 14%  pro Jahr, einer eingehenden Prüfung am Domizil unterzogen. 80% der überprüften Firmen wiesen bei der Kontrolle kleinere oder sogar erhebliche Mängel auf, womit riesige Lücken auf der Ertragsseite verursacht werden! Die Aufstockung der Steuerkommissäre in andern Kantonen hat gezeigt, dass diese  ein Mehrfaches an Geld hereinholen, als sie als Lohnbezüger an Ausgaben verursachen. Gleichzeitig bringt eine verstärkte und regelmässige Prüftätigkeit eindeutige Fortschritte in der Bekämpfung der Schwarzarbeit. Solche Massnahmen und nicht ein Abbau beim Personal und bei staatlichen Leistungen ebnen den Weg zu mehr Gerechtigkeit und einem ausgeglichenen Haushalt.

Juli 2003