Abstimmungsvorlagen vom 24. Februar 2008

Meine Empfehlung in Kürze:

Eidgenössische Vorlagen

1. JA zur Volksinitiative vom 3. November 2005 «Gegen Kampfjetlärm in Tourismusgebieten» (Bundesbeschluss vom 22. Juni 2007, BBl 2007 4531)  

2. NEIN zum 2. Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeiten und Investitionen (Unternehmenssteuergesetz II, BBl 2007 2321)

 

Kantonale Vorlagen

3. JA zum Grossratswahlgesetz, Verfassung des Kantons Aargau; Änderung vom 18. September 2007  

4. NEIN zur Aargauische Volksinitiative «Gegen Bauverhinderung, für neue Arbeitsplätze»; Abschaffung des Verbandsbeschwerderechts  

5. JA zum Bahnhof Aarau: Erwerb von Stockwerkeigentum; Grosskredit

Warum die Unternehmenssteuerreform II abzulehnen ist

Heute geht es wieder einmal um ungerechte, unausgewogene und verfassungswidrige Steuergeschenke, wie wir sie bereits bei der letzten Steuergesetzrevision im Aargau schon kennen gelernt und bekämpft haben. 44% sind uns gefolgt und haben nein gesagt zur kantonalen Steuergesetzrevision, obwohl diese auch noch ein paar Zückerchen für Familien und ganz niedrige Einkommen hatte.

Die Vorlage der Unternehmenssteuerreform II nun aber hat keine Zückerchen mehr, und deshalb bin ich zuversichtlich, dass eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Vorlage mit uns ablehnt.

Bei dieser Unternehmenssteuerreform geht es im Wesentlichen um drei Dinge:

  1. Grossaktionäre, die mindestens 10% einer AG besitzen, sollen die Dividenden nur noch zu 60 statt zu 100% versteuern, während Löhne, Renten und Sparzinsen voll zu 100% besteuert werden. Das ist das eigentliche Hauptproblem der Vorlage. Darauf gehe ich noch genauer ein.
  2. In den Kantonen sollen Aktiengesellschaften ihre Gewinnsteuern an die Kapitalsteuern anrechnen lassen können. Was heisst das? Übersteigt die veranlagte Gewinnsteuer die veranlagte Kapitalsteuer, so ist tatsächlich keine Kapitalsteuer geschuldet. Ist die veranlagte Kapitalsteuer höher als die veranlagte Gewinnsteuer, so ist die Kapitalsteuer nur noch im Umfang der Differenz geschuldet. Das bedeutet faktisch, dass die Kapitalsteuer um den Betrag der Gewinnsteuer reduziert wird. Ist die veranlagte Gewinnsteuer gleich hoch wie die veranlagte Kapitalsteuer, so ist tatsächlich keine Kapitalsteuer geschuldet. Im Kanton Aargau wurde dies in der letzten Steuergesetzrevision bereits beschlossen und führt ab 1.1.2009 zu Steuerausfällen von 23 Mio beim Kanton und 10 Mio bei den Gemeinden. Wir haben uns dagegen gewehrt.
  3. Der dritte Teil ist die Entlastung der Personenunternehmen. 2/3 der KMU sind Personenunternehmen und nicht Kapitalgesellschaften. Dieser Teil - und nur dieser - bringt den KMU Entlastung und damit könnten wir auch leben. Ich gehe jetzt aus zeitlichen Gründen nicht weiter auf die einzelnen Positionen ein, sondern komme zum Hauptproblem der Vorlage zurück.

Dazu finden wir im Anstimmungsbüchlein die folgende Grafik:

Grafik Doppelbelastung und deren Milderung durch die Unternehmenssteuerreform II

Das bürgerliche Hauptargument für diese niedrigere Dividendenbesteuerung lautet, man wolle die wirtschaftliche Doppelbelastung mildern, denn zuerst werde der erwirtschaftete Gewinn beim Unternehmen besteuert und danach der ausgeschüttete Gewinn (also die Dividende) noch einmal beim Eigentümer.

Dazu ist folgendes zu sagen: Wer zur Reduktion seiner Haftung und zur Optimierung seiner Steuern eine Aktiengesellschaft gründet, muss auch akzeptieren, dass die Firma, ein eigenes Steuersubjekt, also eine juristische Person ist. Es ist richtig, dass die Firma sich an den Kosten der vielfältigen Leistungen des Staates beteiligt. Sie profitiert ja auch davon. (Infrastruktur, Verkehrsnetz, Schulsystem usw.). Die Aktionäre wiederum sind als natürliche Personen auch steuerpflichtig und sollen deshalb, wie der Bürger oder die Bürgerin, den Zins ihres Sparbüechlis zu 100% versteuern müssen, die Dividenden ihrer Aktien auch zu 100% versteuern.

Der Bundesrat argumentiert im Abstimmungsbüchlein, die Schweiz schneide zwar im internationalen Vergleich im Allgemeinen gut ab. Aber in Bezug auf die Besteuerung der Dividenden sei sie ein Hochsteuerland und belege lediglich Rang 28 von 30 OECD-Ländern, weil diese die wirtschaftliche Doppelbelastung grösstenteils bereits gemildert oder gar beseitigt hätten. Was er aber verschweigt ist die Tatsache, dass etwa die Hälfte der Staaten im Gegensatz zur Schweiz private Kapitalgewinne entweder mit einer Sondersteuer belegt oder sie im Rahmen der Einkommenssteuer erfasst, während die übrigen Länder ohne generelle Kapitalgewinnsteuer immerhin die Besteuerung der Kapitalgewinne aus wesentlichen Beteiligungen oder kurzfristiger Kapitalgewinne besteuern.

Genau deshalb hält Robert Waldburger, ordentlicher Professor für Steuerrecht an der Uni St.Gallen – und weiss Gott kein Linker - diese Steuererleichterung für verfassungswidrig, weil sie in mindestens 2 Punkten dem Gebot der rechtsgleichen Behandlung widerspricht. Er bemängelt zurecht, dass 1. die Entlastung nur für Grossaktionäre und nicht für alle Aktionäre gilt und 2., dass die Entlastung erfolgt, ohne dass gleichzeitig Kapitalgewinne besteuert werden.

In einem Interview im Tages-Anzeiger vom 22.Dezember wurde Waldburger gefragt, ob er sich nicht als einsamer Rufer in der Wüste vorkomme. Darauf sagte er, ich zitiere:

„Nein. In den Gesprächen mit Fachkollegen und darüber hinaus verspüre ich viel Rückhalt. Gerade kürzlich hat mir ein Unternehmer – nachdem ich ihm meinen Standpunkt kurz erläutern konnte – gesagt, dass ihn meine Argumente überzeugten, er mit Blick auf den künftigen Inhalt seines Portemonnaies aber lieber nicht mit mir geredet hätte, weil er nach dem Gespräch nicht mehr mit gutem Gewissen hinter dem Gesetz stehen könne.“

Ob es vielleicht Thomas Schmidheiny war? Schauen wir uns die Auswirkungen seiner reduzierten Dividendenbesteuerung einmal am. Zementmilliardär Thomas Schmidheiny besitzt 22% der Aktien des Baustoff-Konzerns Holcim AG. Im Jahr 2007 hat er dafür 101 Millionen Franken Dividenden erhalten. Mit der USR II müsste er aber nur noch 60 Millionen versteuern, die restlichen 41 Millionen wären steuerfrei.

Das nennt der Bundesrat Entlastung „unternehmerisch engagierter Anteilsinhaber“ und er verspricht sich, dass dieses Geld in Jungunternehmen investiert wird. Aber in der Verwendung dieses geschenkten Geldes ist Schmidheiny völlig frei. Er kann das geschenkte Geld in eine Yacht investieren oder in einen ausländischen Aktienfonds. Die Rechnung geht also nicht auf.

Von den 4.5 Millionen Steuerpflichtigen in der Schweiz besitzen gerade mal 60 000 Personen eine Beteiligung von mindestens 10% an einer AG. Mehr als die Hälfte dieser AG's schüttet aber gar keine Gewinne aus. Nur 14% aller AGs weisen einen steuerbaren Gewinn von über 50 000 Fr. aus. Von der Steuerreform direkt profitieren würden also nur 8400 Personen, das sind 2 Promille aller Steuerpflichtigen.

Die Vorlage fördert schwergewichtig nicht KMUs, sondern Inhaber von Aktiengesellschaften, besonders die von grossen und rentablen. 2/3 der KMU sind keine Aktiengesellschaften sondern Personengesellschaften und Einzelfirmen. Der Malermeister und die Ärztin versteuern weiterhin ihren vollen Gewinn und zahlen AHV Beiträge.

Und nun komme ich zu den Steuerausfällen, deren Folgen dann die breite Bevölkerung tragen muss. Dieses Geld fehlt dann im Bildungswesen, in den Spitälern, beim öffentlichen Verkehr oder beim Umweltschutz.

AHV: Aufgrund der reduzierten Dividendenbesteuerung werden Grossaktionäre, die selber im Betrieb mitarbeiten, sich den Lohn vermehrt als Dividende auszahlen. Weil auf Dividenden keine AHV-Beiträge bezahlt werden, entgehen der AHV schätzungsweise 150 Millionen Franken pro Jahr. Wenn Unternehmen mehr Dividenden ausschütten, haben sie in schlechten Zeiten weniger Reserven. Das gefährdet Arbeitsplätze. Niemand kann garantieren, dass die Grossaktionäre das zusätzliche Geld wirklich in schweizerische Unternehmen investieren statt in rentablere ausländische Aktien.

Bei den Kantonen entstehen Steuerausfälle von 800 Mio, beim Bund 60 Mio.

Durch die Anrechung der Gewinnsteuer an die Kapitalsteuer verlieren die Kantone rund 1 Milliarde und die geringere Besteuerung der Liquidationsgewinne schlägt mit 27 Mio Mindereinnahmen beim Bund und 120 Mio beim Kanton zu Buch. Im Abstimmungsbüchlein finden wir ganz andere, viel niedrigere Zahlen. Sie sind auf der Folie blau dargestellt. Ich möchte die Differenz erklären.

Der Bundesrat rechnet nur die Zahlen, die für ihn am günstigsten sind. Wenn alle Kantone einen reduzierten Satz wie beim Bund von 60% einführen, entstehen Ausfälle von *638 Millionen Franken. Der Bundesrat zieht nun einfach die Ausfälle derjenigen Kantone, die schon eine reduzierte Besteuerung eingeführt haben (damals 13) davon ab und kommt so auf die 349 Mio. Dabei liegen die Teilbesteuerungssätze bei vielen Kantonen noch tiefer, Aargau 40% (-36 Mio!) (Glarus 20%, Schwyz 25%) im Schnitt der heute 18 Kantone liegt der Satz bei 46% . Unsere Zahl rechnet die Ausfälle aller Kantone mit durchschnittlich 50% und ist also mehr als berechtigt.

Die Berechnung wirkt sich natürlich auch entsprechend auf den Betrag bei der der AHV aus.

Bei der Anrechung der Gewinn- an die Kapitalsteuer stützen wir uns auf die Berechnungen der offiziellen Botschaft zur USRII ab. Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat diesen max. Steuerausfall von 1 Milliarde Franken gegenüber der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben in einer Notiz vom 15.Juni 2006 bestätigt. Wenn dann anschliessend diese Zahl herunter gefahren wird, halten wir dies für eine Korrektur zum Zweck der Propaganda. Darauf kann man nicht eintreten.

Bei den Liquidationsgewinnen äussert sich der Bund nicht zu den Kosten der Kantone. Wir berücksichtigen diese. Die Zahlen stammen aus Notizen der ESTV an die WAK-N bzw. WAK-S vom 15.9.2006 und 22.1.2007. Soviel zu den Differenzen bei den Zahlen.

Zusammenfassend komme ich zum Schluss, dass man diese Unternehmenssteuerreform klar ablehnen muss.

  • Sie ist ungerecht, weil Einkommen aus Aktienpaketen bevorzugt werden.
  • Sie ist zu teuer, der Schaden für AHV, Bund und Kantone ist zu gross.
  • Sie ist Gefährlich, weil sie Arbeitsplätze bedroht.
  • Sie ist unausgewogen, weil es sich nicht primär um wirkliche ist keine KMU-Förderung handelt.
  • Sie ist unerhört, weil sie die Verfassung zweifach verletzt.
  • Broschüre „Unternehmenssteuerreform II“ des eidg. Finanzdepartements, S. 14

Zum Grossratswahlgesetz: Gerecht und verfassungskonform

Ein Wahlsystem ist dann gerecht, wenn es die politischen Kräfteverhältnisse genau abbildet und keine Verzerrungen verursacht. Das neue Wahlmodell ist gerecht, denn jede Stimme im Kanton zählt gleich viel. Verkomplizierende Listenverbindungen und Restmandatsverteilung, die bisher Wähleranteile von einer Partei zur andern verschoben, fallen weg. Die Stimmbürger haben absolute Klarheit, denn die 140 Sitze werden auf Kantonsebene nach Massgabe der erzielten Wahlresultate auf die Parteien verteilt. Die Bezirke als traditionelle Wahlkreise bleiben erhalten und an der Anzahl Mandate, die ihnen aufgrund ihrer Wohnbevölkerung zustehen, wird nicht gerüttelt. Der Bezirk Muri erhält weiterhin 7, der Bezirk Bremgarten 16 Grossratsmandate. Gegner des neuen Wahlsystems beklagen, dass es in Einzelfällen möglich ist, dass in einem Bezirk eine Partei dank Stimmen aus anderen Bezirken einen Sitz erreicht, obwohl sie in diesem Bezirk weniger Stimmen gewonnen hat als eine andere Partei. Dem ist entgegen zu halten, dass für jede Partei das Zuviel und Zuwenig an Stimmen über alle Bezirke ausgeglichen wird, so dass es nicht mehr möglich ist, dass eine Partei mit einem Gewinn an Wähleranteil kantonal zuletzt mit weniger Sitzen dasteht, wie dies mit dem bisherigen System der Fall war. Nur das neue Wahlsystem ist verfassungskonform und im Übrigen im Kanton Zürich bereits erfolgreich erprobt. Deshalb stimme ich mit Überzeugung ja zu Verfassungsänderung und Grossratswahlgesetz.

Zur Aargauischen Volksinitiative „Gegen Bauverhinderung, für neue Arbeitsplätze“ Abschaffung des Verbandsbeschwerderechts

Heimat und Lebensraum erhalten

Was haben der Aargauer Heimatschutz, die Pro Natura Aargau, Birdlife Aargau, die Stiftung Reusstal und der WWF Aargau gemeinsam? Sie setzen sich seit Jahrzehnten für den Schutz der Natur und Umwelt in unserem Kanton ein. Und sie wehren sich zusammen mit 10 weiteren Aargauer Verbänden des Natur- und Heimatschutzes gegen die Initiative zur Abschaffung des Verbandsbeschwerderechts, denn sie trifft ausgerechnet diejenigen, die sich mit den lokalen Gegebenheiten bestens auskennen und schon viele wertvolle Kompromisse für Heimat und Natur erarbeitet haben.  So können wir alle entlang dem Hallwilsersee spazieren, weil nicht bis ans Wasser gebaut werden darf, das Wasserschloss in seiner Einmaligkeit bleibt erhalten und Wildtiere, Fische und Vögel werden geschützt. Diese kantonalen Verbände, welche mit den Verhältnissen im Kanton bestens vertraut sind, könnten keine Bewerden und Einsprachen mehr machen, wenn gegen geltendes Recht verstossen wird. Sie müssten sich durch schweizerische Dachverbände vertreten lassen, denn diese sind von der Streichung des § 4 Abs. 3 aus dem Baugesetz nicht betroffen. Die Erfahrungen zeigen, dass die kantonalen Verbände ihre Rechte grundsätzlich verantwortungsvoll wahrnehmen. Sie verhindern nicht Projekte, sondern sie helfen innerhalb des gesetzlichen Rahmens, Projekte in besonders empfindlichen Landschaftsräumen oder mit grossen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit zu verbessern. Die Abschaffung des Verbandbeschwerderechts auf kantonaler Ebene wäre ein grosser Fehler und würde niemandem dienen. Heimat, Natur und Umwelt, aber auch der einzelne aus dem Volk brauchen einen Anwalt. Deshalb ist diese Lebensqualität vermindernde Initiative klar abzulehnen.