Abstimmungsvorlagen vom 30. November 2008

Eidgenössiche Abstimmung vom 30. November 2008

1. Volksinitiative "Für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern"

Worum geht es?

Am 1. März 2006 reichte der Verein «Marche Blanche» eine Volksinitiative «für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern» mit 119 375 gültigen Unterschriften ein. Diese Initiative verlangt, dass sexuelle oder pornografische Straftaten an Kindern unverjährbar sein sollen. Nach dem derzeitigen Recht besteht für schwere Straftaten gegen die sexuelle Integrität von Kindern unter 16 Jahren eine Verjährungsfrist von 15 Jahren. Die Verjährung dauert aber in jedem Fall mindestens bis zum vollendeten 25. Lebensjahr des Opfers.

Meine Abstimmungsempfehlung: NEIN

Ich habe grosses Verständnis für das Anliegen. Die Initiative geht jedoch zu weit und ist unklar formuliert. Sie liesse sich nur mit grossen Schwierigkeiten umsetzen. Mit den neuen Verjährungsregelungen des indirekten Gegenvorschlags, wonach die 15-jährige Verjährungsfrist erst zu laufen beginnt, wenn das Opfer 18 Jahre alt ist, können Personen, die als Kinder Opfer von Sexualdelikten wurden, besser und umfas

2. Volksinitiative "Für ein flexibles AHV - Alter" 

Worum geht es?

Mit der Initiative des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes «für ein flexibles AHVAlter» soll einem grossen Teil der erwerbstätigen Bevölkerung ermöglicht werden, zwischen 62 und 65 Jahren die ungekürzte AHV-Rente zu beziehen.

Meine Abstimmungsempfehlung: JA

Schon heute leisten sich immer mehr Besserverdienende die Frühpensionierung.
Für viele Arbeitnehmende mit einem kleinen oder mittleren Einkommen war das bisher nur ein Traum. Wenn sie früher in den Ruhestand wollten, mussten sie lebenslang spürbare Kürzungen ihrer AHV-Rente in Kauf nehmen. Die Initiative für ein flexibles AHV-Alter bringt mehr Gerechtigkeit. Dank ihr werden auch Klein- und Normalverdienende ab 62 frei wählen können, ob sie mit der Arbeit aufhören wollen – und zwar ohne Rentenkürzung. Wer früher als normal in Pension geht, bezieht länger Rente und bezahlt weniger lang Beiträge. Deshalb gibt es Mehrkosten, die finanziert werden müssen. Die Bundesverwaltung hat ausgerechnet, dass die Mehrkosten der Initiative bei einem  Durchschnittseinkommen  Fr. 6.50 pro Monat betragen. Das ist die kostengünstigste aller Frühpensionierungslösungen. Die Gegner behaupten neuerdings, die AHV-Initiative koste 1,524 Milliarden Franken. Diese höheren Kosten beruhten auf "aktuelleren" Berechnungen als in der Botschaft des Bundesrates zur Initiative, wo 779 Millionen aufgeführt sind. Die Initiative ist jedoch keinen Rappen teurer geworden. Bisher hat die Bundesverwaltung die Durchschnittskosten für die Jahre 2009-2020 ausgewiesen. Jetzt nimmt sie plötzlich und ohne Begründung den jährlichen Durchschnitt für die Jahre 2014-2025, sie hat den Bemessungszeitraum also weiter hinausgeschoben, in eine Periode, in der die Renten wegen der Lohn- und Preisentwicklung nominal höher sein werden als heute. Die Absicht ist, die Kosten nochmals höher darzustellen, als sie wirklich sind. Würde die Initiative sofort umgesetzt, dann würden laut demselben Bundesamt die Kosten 720 Millionen betragen. Werden diese Mehrkosten wie vorgeschlagen über den AHV-Beitrag finanziert, so sind das je 0,12 Lohnprozente für Arbeitnehmer und Arbeitgeber – oder eben 6.50 Franken pro Monat. Die Gegner werfen der Initiative zudem vor, sie führe zu einer generellen Senkung des AHV-Alters auf 62. Dabei wissen sie ganz genau, dass niemand mit 62 ein Erwerbseinkommen gegen eine AHV-Rente von maximal 2200 Franken eintauscht, wenn es nicht wichtige Gründe dafür gibt. Selbst der Bundesrat sagt, dass lediglich 30 Prozent der Berechtigten vom AHV-Alter 62 Gebrauch machen werden. Das flexible AHV-Alter stärkt die AHV als solide Volksversicherung. Es ist wegen des stabilen AHV-Systems auch finanzierbar. Deshalb stimme ich JA zur Initiative für ein flexibles AHV-Alter.

3. Volksinitiative "Verbandsbeschwerderecht: Schluss mit der Verhinderungs mit der Verhinderungspolitik - Mehr Wachstum für die Schweiz!"

Worum geht es?

Das Verbandsbeschwerderecht ist heftig umstritten. In den vergangenen Jahren war es immer wieder Thema im Parlament: Mehrere Vorstösse zur Abschaffung wurden jedoch abgelehnt. Die am 11. Mai 2006 eingereichte Initiative verlangt nun den Ausschluss der Verbandsbeschwerde bei Beschlüssen, die auf Volksabstimmungen oder Entscheiden von Parlamenten beruhen.

Meine Abstimmungsempfehlung: NEIN

Das Aargauer Stimmvolk hat am 24. Februar 2008 die kantonale Initiative zur Abschaffung des Verbandsbeschwerderechts mit 63.77% eindeutig abgelehnt und damit bekundet, dass es einen Anwalt für Heimat, Natur und Umwelt will. Logischerweise muss am 30.November auch die rechtsstaatlich bedenkliche Zürcher FDP-Initiative zur Abschaffung des Beschwerde-Rechts abgelehnt werden. Die Initiative  will den Umweltorganisationen verbieten, gegen ein Projekt einzusprechen, das in einer Abstimmung angenommen wurde. Heute sagen die Stimmbürger meistens Ja zu einem Baukredit oder einem Zonenplan. Sie fällen einen Grundsatzentscheid und wollen sich darauf verlassen können, dass die Behörden und die Verwaltung dafür sorgen, dass Bauprojekte in allen Details rechtskonform sind. Wenn dies – wie es leider manchmal vorkommt – nicht der Fall ist, können sich Fachorganisationen heute für die Einhaltung der Gesetze zugunsten von Umwelt und Natur wehren. Sie tun dies zum Gemeinwohl und in Respektierung der vom Volk beschlossenen Gesetze. Es kann nicht sein, dass man ihnen einen Maulkorb verpasst, während private Einsprecher nach wie vor Beschwerde führen können. Ein Einzelner könnte weiterhin ein vom Volk angenommenes und gesetzeskonformes Projekt zu Fall bringen, während Verbände, die sich für unsere Lebensgrundlagen einsetzen, nichts mehr dagegen tun könnten, wenn effektiv Gesetze nicht eingehalten werden. 23 Organisationen aus den Bereichen Umwelt-, Natur- und Heimatschutz sowie Natursport sagen zusammen mit Bundesrat, National- und Ständerat Nein zu dieser kurzsichtigen Initiative. Dank dem Beschwerderecht konnten viele schützenswerte Landschaften erhalten werden, allen voran die Biosphärenreservate Aletsch und Lavaux sowie die Bolle di Magadino. Gleichzeitig wurden unzählige Bauprojekte zu Gunsten von Umwelt und Bevölkerung verbessert. Aus all diesen Gründen sollten wir diese kurzsichtige Initiative klar ablehnen.

4. Volksinitiative "Für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz"

Worum geht es?

Am 14. Juni 2004 lehnte der Nationalrat das Eintreten auf die Revision des Betäubungsmittelgesetzes definitiv ab. In der Folge lancierte ein Komitee "Pro Jugendschutz gegen Drogenkriminalität“ eine Volksinitiative unter dem Titel "für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz“.
Die Initiative möchte Straffreiheit für den Konsum und den Besitz von Cannabis sowie den Erwerb für den Eigenbedarf erreichen. Zudem soll künftig auch der Anbau von Cannabis für den Eigenbedarf straffrei sein. Die Initiative verlangt zudem, dass der Bund für Anbau und Handel Vorschriften erlässt und die Werbung für Cannabis verbietet. Zum Schutz der Jugend soll der Bund geeignete Massnahmen ergreifen.

Meine Abstimmungsempfehlung: JA

Die Initiative will ein gesellschaftliches Problem lösen, indem sie den Hanfkonsum in einen klaren gesetzlichen Rahmen stellt, anstatt ihn im kriminellen Dunstkreis mit Dealern, Geldwäscherei und Mafia zu belassen. Sie ist moderat und setzt vor allem auf Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Ein JA zur Hanf-Initiative, wie es der Bundesrat selbst 2001 vorgeschlagen hatte, ersetzt die wirkungslose Verbotspolitik. Kontrolle von Produkt und Käufer stoppen den Schwarzmarkt. 

5. Änderung des Betäubungsmittelgesetzes

Worum geht es?

Das Betäubungsmittelgesetz stammt aus dem Jahr 1951. Seither hat sich mit der Zunahme des Komsums illegaler Drogen die Drogenproblematik verändert. Mit der offenen Drogenszene auf dem Platzspitz und dem Letten geriet die Schweiz in den 90er-Jahren weltweit in unrühmliche Schlagzeilen. Die Wende war und ist der Vier-Säulen-Politik zu verdanken: Sie brachte das kluge Zusammenspiel von Prävention, Therapie, Überlebenshilfe und Repression. Mit der seit 1994 angewandten  heroingestützten Behandlung wählte die Schweiz einen neuen Ansatz, der rasch Wirkung erzielte. Die Beschaffungskriminalität ging massiv zurück. Heute haben wir die Situation im Griff. 1999 hat das Stimmvolk dieser Behandlungsform zugestimmt. Die gesetzliche Grundlage dazu läuft Ende 2009 aus. Nun geht es darum, diese Regelung definitiv ins Gesetz aufzunehmen.

Meine Abstimmungsempfehlung: JA

Das revidierte Betäubungsmittelgesetz verankert die Vier-Säulen-Politik und schafft damit Sicherheit für Bevölkerung und Betroffenen. Die Erfahrungen sprechen für sich: Seit Einführung der nun schon langjährig erfolgreichen Vier-Säulen-Politik hat sich die Drogenproblematik vielschichtig entspannt und die Unterstützungsmöglichkeiten sind breiter geworden. Diese Errungenschaften nun zu gefährden, wäre unverantwortlich.»

Kantonale Abstimmung vom 30. November 2008

Steuergesetz: Vorgezogene Inkraftsetzung

siehe auch www.steuerprivilegien.ch

Worum geht es?

Der Grosse Rat des Kantons Aargau hat am 9. September 2008 mit 80 zu 46 Stimmen beschlossen, die vom Volk bereits genehmigte 3. Etappe der Steuergesetzrevision 2006 bereits ein Jahr früher, nämlich auf den 1.Januar 2009, in Kraft zu setzen. 124 Parlamentarierinnen und Parlamentarier haben dagegen das Behördenreferendum gemäss § 62 Abs.1 lit. b der Kantonsverfassung ergriffen. Dies insbesondere deshalb, weil das Aargauer Stimmvolk seinerzeit auch über die Steuergesetzrevision 2006 abgestimmt hat.

Meine Abstimmungsempfehlung: NEIN

Keine vorzeitigen Steuergeschenke an Spitzenverdiener

Die vorzeitige Steuerentlastung für die höchsten Einkommen und Vermögen – nur für 9% der Steuerpflichtigen schenkt sie richtig ein - entspricht nicht der vom Volk am 26.November 2006 beschlossenen Teilrevision. Diese sah eine Etappierung vor, welche die Steuergeschenke an die Reichsten erst im Jahr 2010 gewähren würde. Steuerbare Einkommen ab Fr. 150 000.- sollen nun bereits 2009  bis zu 8,7% weniger Steuern zahlen, während die Mehrheit der Steuerpflichtigen auf den Ausgleich der kalten Progression – also auf eine durchschnittliche Steuervergünstigung von 5% im Jahre 2010 - verzichten musste, damit die Steuertarife für die höchsten Einkommen und Vermögen gesenkt werden konnten. Diese einseitige und unverschämte Geldverteilung kostet Kanton und Gemeinden je 72 Millionen Franken. Die angefallenen höheren Steuererträge müssten, wenn schon allen Steuerpflichtigen und besonders denjenigen zurückerstattet werden, die sie am meisten nötig haben.  Je nach Armutsdefinition leben in der Schweiz 4%, 10% oder gar 25% der Kinder in Armut oder in ökonomisch prekären Verhältnissen. Deshalb hat die SP Fraktion in einer Motion den Alternativvorschlag gemacht, dass alle Steuerpflichtigen im Kanton Aargau für jedes Kind einen einmaligen Bonus von Fr. 300.-  erhalten. Dieser Vorschlag würde zudem die Gemeinden nicht belasten. Diese könnten ihre Überschüsse individuell so verwenden, dass die ganze Bevölkerung und nicht bloss eine ohnehin schon privilegierte Minderheit davon profitiert. Die Situation in den Gemeinden ist völlig unterschiedlich. Die Mindereinnahmen der Gemeinden betragen zwischen minus 2,7% bis minus 7,1% und im Durchschnitt minus 4,6%. Sie sind mit wesentlichen Mehrbelastungen konfrontiert: Ausfinanzierung der Aargauischen Pensionskasse, Betreuungsgesetz, öffentlicher Verkehr, neues Pflegegesetz und Bildungskleeblatt, um nur einige Stichworte zu nennen. Kein Wunder wehren sich auch die meisten Gemeinden vehement gegen die vorzeitige Steuerentlastung.

Die Art und Weise, wie das Vorhaben durch Kommission und Parlament gepeitscht wurde ist schlicht inakzeptabel: Ein verkürztes Vernehmlassungsverfahren, eine Planung über die Köpfe der Gemeinden hinweg und die Verkürzung der ordentlichen 3-Monatsfrist zwischen 1. und 2. Lesung haben jedenfalls nichts mit einer seriösen Vorbereitung zu tun. Die SP hat deshalb am 9.September das Behördenreferendum ergriffen, damit das Stimmvolk an der Urne entscheiden kann, ob eine vermögende Minderheit auf Kosten der Mehrheit vorzeitig begünstigt werden soll oder nicht.